Wer war Gustav Nachtigal?

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* Autor Ulrich van der Heyden, 20.06.2022, als Open Source <ref name ="Open Source">[https://www.berliner-zeitung.de/opensource.102233 Open Source] - Berliner Zeitung - Open Source - Vielfalt ist uns wichtig.</ref> in Berliner Zeitung  
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* Der Autor Ulrich van der Heyden hat den folgenden Beitrag am 20.06.2022 als Open Source <ref name ="Open Source">[https://www.berliner-zeitung.de/opensource.102233 Open Source] - Berliner Zeitung - Open Source - Vielfalt ist uns wichtig.</ref> im Onlineportal der Berliner Zeitung veröffentlicht.
 
* Im Afrikanischen Viertel in Wedding wollen Aktivisten den Namen des Forschers tilgen. Der Autor ist Historiker und hält das für vollkommen falsch. <ref name="BZ" />
 
* Im Afrikanischen Viertel in Wedding wollen Aktivisten den Namen des Forschers tilgen. Der Autor ist Historiker und hält das für vollkommen falsch. <ref name="BZ" />
 
* Weitere Infos zu Gustav Nachtigal bei Wikipedia. <ref>[https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Nachtigal de.wikipedia.org] - Gustav Nachtigal</ref>
 
* Weitere Infos zu Gustav Nachtigal bei Wikipedia. <ref>[https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Nachtigal de.wikipedia.org] - Gustav Nachtigal</ref>

Version vom 20. Juni 2022, 21:19 Uhr

» Gustav Nachtigal
» Gustav Nachtigal
1834-1885 Gustav Nachtigal
Name: Gustav Nachtigal
Geboren: 23.02.1834 (vor 190 Jahren)
Gestorben: 20.04.1885, (51, vor 139 Jahren)
War: Ein deutscher Afrikaforscher und Beamter im auswärtigen Dienst des deutschen Kaiserreichs. Als Reichskommissar vollzog er die Gründung deutscher Kolonien in Westafrika.
Bezug: -
Am Kibo: -
Info: War ein scharfer Kritiker des Sklavenhandels!
Datum: 1.11.2024
Update: 20.06.2022
Info von: Das Mount-Kilimanjro-Wiki

Inhaltsverzeichnis

Der nächste Platz in Berlin soll umbenannt werden: Wer war Gustav Nachtigal? [1]

  • Der Autor Ulrich van der Heyden hat den folgenden Beitrag am 20.06.2022 als Open Source [2] im Onlineportal der Berliner Zeitung veröffentlicht.
  • Im Afrikanischen Viertel in Wedding wollen Aktivisten den Namen des Forschers tilgen. Der Autor ist Historiker und hält das für vollkommen falsch. [1]
  • Weitere Infos zu Gustav Nachtigal bei Wikipedia. [3]

Der nächste Platz in Berlin soll umbenannt werden

  • Seit Jahren wird in Berlin um die Umbenennung von Straßennamen im Afrikanischen Viertel gerungen. Das dafür zuständige Bezirksamt hat sich dabei nicht mit Ruhm bekleckert. Da wollte man Namen von deutschen Kolonialisten gegen afrikanische Sklavenhändlerinnen austauschen, Fachhistoriker konnten nur mit dem Kopf schütteln und resignieren, es gab Proteste von Anwohnern. Als Reaktionen kamen zumeist nur lautstarke Forderungen, deren „Argumente“ davon zeugten, wie wenig von Geschichte die Vortragenden verstehen. Obwohl vom Bezirksamt zugesichert, wurden keine kompetenten Historiker hinzugezogen.
  • Nun ist der Nachtigalplatz im Wedding verstärkt ins Blickfeld derjenigen gelangt, die aufgrund ihrer bemerkenswerten Unkenntnis, aber mit starker Selbstüberschätzung fordern, den Afrikaforscher Gustav Nachtigal (1834–1885) nicht mit einem Straßenamen in der deutschen Hauptstadt zu ehren. Dabei kommt ein kaum verdeckter kolonialrassistischer Paternalismus zum Vorschein.
  • Denn so wie ihre Altvorderen im 19. Jahrhundert fordern nunmehr einige jüngere Aktivisten die Umbenennung von orientierenden Bezeichnungen im Stadtraum, weil sie meinen, dass diese Afrikaner negativ berühren könnten. Dabei gehen sie davon aus, dass sie wüssten, was jene denken und fordern würden, und maßen sich sogar an, als kleine Gruppierung im Namen der Bevölkerung eines ganzen Kontinents zu agieren.

Gustav Nachtigal, Reichskommissar für Deutsch-Westafrika

  • Warum sich für die sogenannte Entwicklungshilfe oder gegen die neokoloniale Ausbeutung und Politik der ehemaligen Kolonialmächte zu engagieren, ganz abgesehen von der Notwendigkeit, den Kampf gegen Neopaternalismus und Korruption in den afrikanischen Staaten zu unterstützen, genügt es ihnen, durch skurrile Forderungen und Handlungen mediale Aufmerksamkeit hierzulande zu erringen. In Wissenschaftlerkreisen wird dieses kontraproduktive Phänomen zu erklären versucht.
  • Es scheint so, dass ein mit quasipolitischen Forderungen errungener Erfolg zur Überwindung eigener Sinnkrisen führen kann oder als Ersatz für die Aufgabe bzw. Nichtachtung des eigentlich notwendigen, allerdings anstrengenden solidarischen Engagements für eine gerechtere Welt herhalten muss.
  • In den Mittelpunkt solcher Umbenennungsforderungen, ohne sich mit der Geschichte der Person zu beschäftigen, ist der aus Altmark stammende Gustav Nachtigal gerückt, nach dem 1910 ein Platz benannt wurde.
  • Ganz anders als bei solchen Persönlichkeiten, die direkt die Errichtung und Aufrechterhaltung der deutschen Kolonialherrschaft in brutaler Weise unterstützten, in den Kolonien Gewalt anwendeten, den Rassismus beförderten etc., sieht die Situation um die Umbenennungsforderungen von Straßen und Plätzen aus, die den Namen Gustav Nachtigals tragen. Nicht sein Tun und Handeln als Europäer im kolonialen Afrika wird heute am meisten kritisiert, sondern seine zwar für die Betroffenen folgenschwere, von ihm aber nicht zu verantwortende Mission, die von Reichskanzler Bismarck angewiesen worden war.
  • Diese bestand vor allem darin, als Reichskommissar für Deutsch-Westafrika in einem symbolischen Akt die deutschen Besitzansprüche in Togo und Kamerun deutlich zu machen. Er nahm zur Enttäuschung der deutschen Handelsagenten keine Annexion vor. Die Realität war eine andere, die schon in den 1980er-Jahren den marxistischen Kolonialhistoriker Peter Sebald fragen ließ: „Was veranlasste die Häuptlinge der Togodörfer, den Deutschen einen Protektionsvertrag anzubieten, und zwar ohne die bei Vertragsabschlüssen sonst übliche gewaltsame Nötigung und Bestechung durch die Kolonialmächte?“

Er starb, bevor die Kolonialherrschaft errichtet war

  • Nachtigal beglaubigte auch die betrügerisch erworbenen Rechte für den Landkauf der Firma Lüderitz im heutigen Namibia, mit der die Unterwerfung der einheimischen Bevölkerung begann. Ob ihm die Hintergründe der fragwürdigen Vertragsgrundlagen für die Landerwerbungen, gemeinhin auch „Meilenschwindel“ genannt, damals bekannt waren, dürfte bezweifelt werden.
  • Das, was die Kolonialherren in ihren „Schutzgebieten“ nach dem Hissen der deutschen Flagge anrichteten, kann man ihm nicht anlasten. Der symbolische Akt erfolgte vornehmlich, um die koloniale Konkurrenz aus Frankreich und Großbritannien auf Distanz zu halten. Die Folgen seines Handelns konnte er gar nicht ermessen, denn er verstarb schon am 20. April 1885, also lange, bevor die deutsche Kolonialherrschaft errichtet und gefestigt war.
  • Vielmehr scheint die heutige Kritik auf das Scheinbild projiziert zu sein, welches die Nazis nach 1933 aus ihm machten. Er wurde quasi zu einer Schlüsselfigur der deutschen Kolonialpropaganda, beginnend schon in der Weimarer Republik, als sich der Kolonialrevisionismus in der deutschen Gesellschaft breitmachte. In vielen deutschen Städten wurden Straßen und Plätze nach ihm benannt.
  • Spätestens nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Entstehung der beiden deutschen Staaten wurde Nachtigal unterschiedlich bewertet. Im Jahre 1970 wurde im Zuge der antikolonialen Ausrichtung der DDR-Geschichtswissenschaft und -Außenpolitik seine Bronzebüste in Stendhal, der nächsten größeren Stadt von seinem Geburtsort, entfernt und nach der deutschen Vereinigung am alten Platz wieder aufgestellt.

Noch sind nicht alle Aufzeichnungen von Nachtigal geprüft

  • Wenngleich die Person Nachtigals relativ häufig in den deutschsprachigen Büchern und akademischen Studien zur Entdeckungs- sowie Kolonialgeschichte auftaucht, konnte man sich zur Bewertung seiner Person zum einen nicht einigen und zum anderen konnte man nicht bis zum tiefen Grund der hinterlassenen schriftlichen Quellen des Afrikaforschers Nachtigal durchdringen. Denn nicht alle von ihm stammenden Aufzeichnungen sind bislang nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten geprüft oder ausgewertet worden.
  • Der Standort der bis heute nicht ausgewerteten handschriftlich vorliegenden Schriftstücke ist bekannt. Es handelt sich dabei nicht um die zwischen 1879 und 1889 herausgegebenen dreibändigen Tagebücher über seine Reise durch die „Sahara und Suden“ (so der Titel), sondern um noch vollkommen unbekannte Details aus seinem Leben, seine Ansichten zur damaligen Politik, zur afrikanischen und arabischen Kultur etc.
  • Erst wenn man alle die von ihm hinterlassenen schriftlichen Dokumente ausgewertet hat, ist es möglich, denjenigen Forscher, der in der Fachwelt als „eine der menschlichsten Gestalten unter den Großen der Entdeckungsgeschichte Afrikas“ bzw. „großartigste Gestalt unter den wissenschaftlichen Erschließern von Sahara und Sudan“ geachtet wird, ausgewogen zu beurteilen.
  • Aber abwarten und diskutieren, vielleicht sogar zu lernen und dabei zu neuen Erkenntnissen und Bewertungen vorzudringen, ist das Anliegen der Aktivisten, die bei Lokalpolitikern mehr Aufmerksamkeit finden als gründliche akademische Rechercheergebnisse, nicht. Nachtigal war nicht der einzige europäische Entdeckungsreisende, der als Geograf und Dokumentarist unter Lebensgefahr die Grundlagen erschuf, auf denen wir unser heutiges Leben gestalten, der durch sein Lebenswerk dazu beitrug, Verständnis für die Sprachen und Kulturen der Völker Afrikas, die er als einer der ersten Europäer erforschte und beschrieb, aber auch er verdient es, nach seinen Taten bewertet zu werden und nicht danach, was Kolonialisten und Faschisten daraus gemacht haben.

Ein scharfer Kritiker des Sklavenhandels

  • Ein gewaltsames Vorgehen von ihm ist nicht bekannt. Insofern trifft auf ihn die Einschätzung eines Fachmannes zur europäischen Entdeckungsgeschichte zu: „Seine Persönlichkeit ist umstritten. Wiewohl sein zumindest theoretisches Engagement bei der kolonialen Unterwerfung der Völker Afrikas und sein Einsatz für die wirtschaftliche Ausbeutung des späteren deutschen ‚Schutzgebietes‘ aus der damaligen historischen Situation erwachsen sind, so erscheinen sie uns heute als zweifelhaft und verurteilenswürdig. Dem stehen bahnbrechende Forschungsleistung gegenüber und das Verdienst, wissenschaftliche Erkenntnisse über Afrika und seine Völker mit schriftstellerischer Gewandtheit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht zu haben. Beide Seiten waren in seinem Leben untrennbar miteinander verbunden.“
  • Nachtigal vertrat in seinen Schriften durchaus philanthropische Ansichten und war ein scharfer Kritiker des Sklavenhandels. Nachweisbar ist in den Briefen Nachtigals, dass er den Auftrag Bismarcks annahm, weil er hoffte, somit den Transsahara-Sklavenhandel der Araber besser bekämpfen zu können. In den gegenwärtigen moralisch anklagenden Diskussionen ist das ein kaum erwähnter Fakt.
  • Kaum bekannt ist zudem, dass er seine vom Kanzler übertragene „Dienstanweisung“ kritisch sah und dies auch in internen Gesprächen äußerte. Statt ihm allein schon für seine Verdienste, welche er trotz der abenteuerlichen Umstände, denen er bei der Saharadurchquerung ausgesetzt war, erworben hat, um den Europäern das mittelmeerische, saharische und sudanesische Afrika nahezubringen, wird sein Einsatz gröblich missachtet.
  • So eine historische, sich unter Einsatz des Lebens große wissenschaftliche Meriten erworben habende Persönlichkeit, der als deutscher Beamter eine Funktion im Auftrag seines höchstens Dienstherrn, des Reichskanzlers, übernahm, dessen Folgen er nicht abschätzen konnte, abschließend einzuordnen, ist schwierig, doch nicht unmöglich. Man muss sich nur mit den wirklichen Taten und dem jeweiligen konkreten historischen Kontext beschäftigen. Wer dies tut, wie der Journalist Thilo Tielke im Spiegel meint, wird die Umbenennungsforderungen von nach Nachtigal benannten Orten aus angeblicher politischer Korrektheit als „ein wenig albern“ empfinden.

Der Autor Ulrich van der Heyden

  • Ulrich van der Heyden, geb. 1954 in Ueckermünde, Spezialist für die Kolonialgeschichte Afrikas und die Geschichte der christlichen Mission in Afrika, ist wohl der einzige habilitierte deutsche Geisteswissenschaftler, der drei Mal promoviert wurde.
  • Das ist ein Beitrag, der im Rahmen der Open-Source-Initiative der Berliner Zeitung veröffentlicht wurde. Mit Open Source [2] gibt der Berliner Verlag freien Autorinnen und Autoren sowie jedem Interessierten die Möglichkeit, Texte mit inhaltlicher Relevanz und professionellen Qualitätsstandards anzubieten.

Quellen

  1. 1,0 1,1 www.berliner-zeitung.de - Der nächste Platz in Berlin soll umbenannt werden: Wer war Gustav Nachtigal? (Ulrich van der Heyden - Opnen Source)
  2. 2,0 2,1 Open Source - Berliner Zeitung - Open Source - Vielfalt ist uns wichtig.
  3. de.wikipedia.org - Gustav Nachtigal


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